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und dieser starke Einkauf hat wieder seinen Grund im Handel mit den Brodfrüchten, und im immer größern Verbrauche derselben innerhalb der Erzeugungs-Länder selbst.

Der Handel mit Getreide ist jedoch von gedoppelter Art, entweder ist es derjenige, der den Ueberfluß des einen Landes dem andern zuführt, das daran Mangel leidet, oder es ist der Wucher, der Aufkauf zum Wiederverkaufe auf dem nämlichen oder einem andern nahe gelegenen Markte in gewinnsüchtiger Absicht.

Dieser Wucher, weil er das unentbehrlichste Bedürfniß vertheuert, ist von jeher Gegenstand des Hasses und der Verachtung der bürgerlichen Gesellschaft gewesen, und überall suchen die Marktordnungen demselben durch Beschränkungen im Einkaufe und Wiederverkaufe – jedoch gewöhnlich ohne vielen Erfolg – zu steuren.

Der Getreidehandel dagegen ist ein wahrhaft wohlthätiger, so lange er den Ueberfluß des Fruchtlandes anderwärts zu verkaufen weiß, er wird aber ein höchst verderblicher, wenn mittels desselben nicht blos der Ueberfluß, sondern der eigene Bedarf aus dem Lande geführt wird.

Die Regierungen scheinen keine genaue Kenntniß von den Vorräthen und dem Bedarfe ihrer Länder, und von der Ausfuhr aus denselben zu haben; aber es ist aus den gegenwärtigen sehr hohen Preisen der Brodfrüchte zu vermuthen, daß auch bei uns die Ausfuhr den eigenen Bedarf angreife, und diese Vermuthung wird vorzüglich noch dadurch bestärkt, weil der Verbrauch im eigenen Lande, bei fortwährender Zunahme der Bevölkerung und der gewerblichen Unternehmungen von Jahr zu Jahr größer wird, während der Boden, der das Getreide hervorbringt sich nicht ausdehnt; wird auch demselben durch zweckmäßigere Bebauung, durch Cultur von öden Strecken und durch Entfernung der Bodenlasten etc. von Jahr zu Jahr mehr abgewonnen, so kann dieser Mehrertrag doch mit dem ungeheuren Zuwachse der Bevölkerung nicht gleichen Schritt halten.

Dieses Mißverhältniß zwischen Menschenmenge und Bodenfläche trit in allen Ländern ein, in welchen in Folge der Niederlassungs- und Gewerbefreiheit die Zahl der Menschen und der

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Christoph Leonhard Wolbach: Ulmische Zustände. Ernst Nübling, Ulm 1846, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ulmische_Zust%C3%A4nde_22.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)