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davon machen dürfen. Ueberdieß: welche Zahl von Handwerkern in einer Gemeinde wäre die angemessene, nicht zu klein und nicht zu groß; nimmt nicht selbst das Verlangen nach dieser oder jener Arbeit in Folge der launenhaften Mode, der vermehrten oder verminderten Bevölkerung, und in Folge von Wohlstand oder Verarmung bald zu bald ab? Die Gestattung des unbeschränkten Gewerbebetriebs und der ungehinderten Vermehrung der Gewerbegenossen brach sich aber vorzüglich dadurch Bahn, weil man hiedurch zugleich die beste und die wohlfeilste Arbeit zu bekommen hoffte; je Mehrere auf dem Felde des bürgerlichen Erwerbs mit einander kämpfen, um so höher werden sie ihre Kräfte anstrengen müssen, und dadurch zu größerer Tüchtigkeit gelangen: je Mehrere verkaufen und arbeiten, um so niedriger werden sie die Preise stellen müssen, um ihre Waare und ihre Arbeit an den Mann zu bringen. Was früher durch Vorsorge, Ueberwachung, Beaufsichtigung zu erreichen gesucht worden, das wollte man durch Concurrenz erlangen.


§. 15.

Die württembergische Gesetzgebung hat eine Art von Mittelstraße hierin eingeschlagen; sie hat zwar alle Beschränkungen in der Zahl der Lehrlinge und Gesellen, in der Ausdehnung des Gewerbebetriebs entfernt; aber sie hat die Zünftigkeit bei gewissen Gewerben dennoch beibehalten, vermöge welcher Lehrzeit, Wanderjahre, Meisterstück und Volljährigkeit zum selbstständigen Betriebe erforderlich sind, wie ja auch eine ähnliche Zünftigkeit bei den gelehrten Gewerben, (den s. g. Brod-Wissenschaften) statt findet; bei den übrigen Handwerken aber hat sie der Unzünftigkeit, jedoch nur versuchsweise, statt gegeben; sie hat sodann dem Handwerker und Gewerbetreibenden zu Beförderung des Fortkommens, den Handel mit Gegenständen ihres Gewerbs und den gleichzeitigen Betrieb mehrerer Gewerbe gestattet; ferner hat sie, damit Jeder soviel möglich an dem für ihn geeignetsten Orte sich häuslich niederlassen und sein Geschäft treiben könne, den Gemeinden die Zwangspflicht auferlegt, alle diejenige in ihre Genossenschaft aufzunehmen, welche ein bestimmtes Vermögen, einen selbstständigen Nahrungszweig und ein s. g. gutes Prädikat nachweisen können, selbst wenn das Gewerbe, das sie zu treiben gedenken, in der neuen Heimath voran schon übersetzt

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Christoph Leonhard Wolbach: Ulmische Zustände. Ernst Nübling, Ulm 1846, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ulmische_Zust%C3%A4nde_19.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)