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In einer Mainacht blinkten
Die Sterne wunderschön,

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Der Fürstin war, als winkten

Sie ihr zu Thurmes Höhn.
Sie stieg hinauf zum Dache,
Die Zarte ganz allein,
Da fiel aus einem Gemache

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Ein trüber Lampenschein.


Ein Weiblein, grau von Haaren,
Dort an dem Rocken spann,
Sie hatte wohl nichts erfahren
Vom strengen Spindelbann.

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Die Fürstin, die noch nimmer

Gesehen solche Kunst,
Sie trat in Weibleins Zimmer:
„Wer bist du, mit Vergunst?“

„Man nennt mich, schönes Liebchen!

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Die Stubenpoesie;

Denn aus dem trauten Stübchen
Verirrt’ ich mich noch nie.
Ich sitz’ am lieben Platze
Beim Rocken, wandellos,

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Meine alte, blinde Katze,

Die spinnt auf meinem Schooß.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0344.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)