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Da ward in’s Reich erlassen

Ein feierlich Gebot,
Verkündet in allen Straßen,
Der Tod darauf gedroht:
Wo Jemand Spindeln hätte,

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Die sollte man liefern ein,

Und sie an offner Stätte
Verbrennen insgemein.

Nicht nach gewohnter Sitte
Erzog man dieses Kind

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In dumpfer Kammern Mitte,

Noch sonst wo Spindeln sind;
Nein, in den Rosengärten,
In Wäldern, frisch und kühl,
Mit lustigen Gefährten,

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Bei freiem, kühnem Spiel.


Und als es kam zu Jahren,
Ward es die schönste Frau,
Mit langen, goldnen Haaren,
Mit Augen dunkelblau;

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In Gang, Gebärde züchtig,

In Reden treu und schlicht,
In aller Arbeit tüchtig,
Nur mit der Spindel nicht.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 342. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0342.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)