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Mährchen.

Ihr habt gehört die Kunde
Vom Fräulein, welches tief
In eines Waldes Grunde
Manch hundert Jahre schlief.

5
Den Namen der Wunderbaren

Vernahmt ihr aber nie,
Ich hab’ ihn jüngst erfahren:
Die deutsche Poesie.

Zwo mächt’ge Feen nahten

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Dem schönen Fürstenkind,

An seine Wiege traten
Sie mit dem Angebind.
Die Erste sprach behende:
„Ja, lächle nur auf mich!

15
Ich gebe dir frühes Ende

Von einer Spindel Stich.“

Die Andre sprach dagegen:
„Ja, lächle nur auf mich!
Ich gebe dir meinen Segen,

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Der heilt den Todesstich;

Der wird dich so bewahren,
Daß süßer Schlaf dich deckt,
Bis nach vierhundert Jahren
Ein Königssohn dich weckt.“

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0341.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)