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„Weh euch, ihr stolzen Hallen! nie töne süßer Klang

Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein! Seufzer nur und Stöhnen, und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

Weh euch, ihr duft’gen Gärten im holden Maienlicht!

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Euch zeig’ ich dieses Todten entstelltes Angesicht,

Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
Daß ihr in künft’gen Tagen versteint, verödet liegt.

Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängerthums!
Umsonst sey all dein Ringen nach Kränzen blut’gen Ruhms,

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Dein Name sey vergessen, in ew’ge Nacht getaucht,

Sey, wie ein letztes Röcheln, in leere Luft verhaucht!“

Der Alte hat’s gerufen, der Himmel hat’s gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
Noch Eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht,

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Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.


Und rings, statt duft’ger Gärten, ein ödes Haideland,
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch;
Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0337.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)