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Doch plötzlich einst erheben die Städter sich zu Nacht,

In’s Urachthal hinüber sind sie mit großer Macht,
Bald steigt von Dorf und Mühle die Flamme blutig roth,
Die Herden weggetrieben, die Hirten liegen todt.

Herr Ulrich hat’s vernommen, er ruft im grimmen Zorn:

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„In eure Stadt soll kommen kein Huf und auch kein Horn!“

Da sputen sich die Ritter, sie wappnen sich in Stahl,
Sie heischen ihre Rosse, sie reiten stracks zuthal.

Ein Kirchlein stehet drunten, Sankt Leonhard geweiht,
Dabei ein grüner Anger, der scheint bequem zum Streit.

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Sie springen von den Pferden, sie ziehen stolze Reihn,

Die langen Spieße starren, wohlauf! wer wagt sich drein?

Schon ziehn vom Urachthale die Städter fern herbei,
Man hört der Männer Jauchzen, der Herden wild Geschrei,
Man sieht sie fürder schreiten, ein wohlgerüstet Heer;

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Wie flattern stolz die Banner! wie blitzen Schwerdt und Speer!


Nun schließ dich fest zusammen, du ritterliche Schaar!
Wohl hast du nicht geahnet so dräuende Gefahr.
Die übermächt’gen Rotten, sie stürmen an mit Schwall,
Die Ritter stehn und starren wie Fels und Mauerwall.

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Zu Reutlingen am Zwinger, da ist ein altes Thor,

Längst wob mit dichten Ranken der Epheu sich davor,
Man hat es schier vergessen, nun kracht’s mit einmal auf,
Und aus dem Zwinger stürzet, gedrängt, ein Bürgerhauf’.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0319.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)