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Weinend und die Hände ringend,
Ruft die Gräfin Julia:
„Sankt Georg, du heil’ger Streiter,
Hilf mir aus des Drachen Macht!“

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Siehe! wer auf weissem Rosse

Sprengt von der Kapell’ herab?
Goldne Locken wehn im Winde
Und der rothe Mantel wallt.

Mächtig ist sein Speer geschwungen,

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Trifft den Räuber Fatiman,

Der sich gleich am Boden krümmet,
Wie der Lindwurm einst gethan.

Und die zehen Mohrenritter
Hat ein wilder Schreck gefaßt,

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Schild und Lanze weggeworfen,

Fliehn sie über Berg und Thal.

Auf den Knieen, wie geblendet,
Liegt die Gräfin Julia:
„Sankt Georg, du heil’ger Streiter,

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Sey gepriesen tausendmal!“


Als sie wieder hebt die Augen,
Ist der Heil’ge nicht mehr da,
Und es geht nur dumpfe Sage,
Daß es Paskal Vivas war.

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0234.jpg&oldid=- (Version vom 1.5.2018)