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„Mein Kind im weissen Kleide!
Wohl hab’ ich dein gedacht.

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Die Blumen sind dein’ Freude,

Mehr als des Goldes Pracht.
Das Blümlein, klar wie Silber, hier
Nahm ich dem kühnen Gärtner,
Gab ihm den Tod dafür.“

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„Wie war er so verwegen?

Warum erschlugst du ihn?
Er thät der Blümlein pflegen,
Die werden nun verblühn.“
„Er hat mir wunderkühn versagt

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Die schönste Blum’ im Garten,

Die spart’ er seiner Magd.“

Das Blümlein lag der Zarten
An ihrer weichen Brust.
Sie ging in einen Garten,

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Der war wohl ihre Lust.

Da schwoll ein frischer Hügel auf,
Dort bei den weissen Lilien,
Sie setzte sich darauf.

„O könnt’ ich thun zur Stunde

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Den lieben Schwestern gleich!

Doch’s Blümlein gibt kein’ Wunde,
Es ist so zart und weich.“
Auf’s Blümlein sah sie, bleich und krank,
Bis daß ihr Blümlein welkte,

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Bis daß sie niedersank.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0184.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)