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Der Pilger.


Es wallt ein Pilger hohen Dranges,
Er wallt zur sel’gen Gottesstadt,
Zur Stadt des himmlischen Gesanges,
Die ihm der Geist verheißen hat.

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„Du klarer Strom! in deinem Spiegel

Wirst du die heil’ge bald umfahn.
Ihr sonnehellen Felsenhügel!
Ihr schaut sie schon von Weitem an.

Wie ferne Glocken hör’ ich’s klingen,

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Das Abendroth durchblüht den Hain.

O hätt’ ich Flügel, mich zu schwingen
Weit über Thal und Felsenreihn!“

Er ist von hoher Wonne trunken,
Er ist von süßen Schmerzen matt,

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Und, in die Blumen hingesunken,

Gedenkt er seiner Gottesstadt.

„Sie sind zu groß noch, diese Räume,
Für meiner Sehnsucht Flammenqual;
Empfahet ihr mich, milde Träume,

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Und zeigt mir das ersehnte Thal!“
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0175.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)