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Sie ritten ein in Walthers Schloß,
Das Schloß war öd’ und stille,
Sie band den Helm dem Ritter los;

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Hin war der Schönheit Fülle.

„Die Wangen bleich, die Augen trüb,
Sie sind dein Schmuck, du treues Lieb!
Du warst mir nie so lieblich.“

Die Rüstung löst die fromme Maid

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Dem Herrn, den sie betrübet.

„Was seh’ ich? ach! ein schwarzes Kleid!
Wer starb, den du geliebet?“
„Die Liebste mein betraur’ ich sehr,
Die ich auf Erden nimmermehr,

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Noch über’m Grabe finde.“


Sie sinkt zu seinen Füßen hin,
Mit ausgestreckten Armen.
„Da lieg’ ich arme Büßerin,
Dich fleh’ ich um Erbarmen.

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Erhebe mich zu neuer Lust!

Laß mich an deiner treuen Brust
Von allem Leid genesen!“

„Steh auf, steh auf, du armes Kind!
Ich kann dich nicht erheben;

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Die Arme mir verschlossen sind,

Die Brust ist ohne Leben.
Sey traurig stets, wie ich es bin!
Die Lieb’ ist hin, die Lieb’ ist hin,
Und kehret niemals wieder.“

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0174.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)