Seite:UhlandGedichte1815 0158.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Der Kranz.


Es pflückte Blümlein manigfalt
Ein Mägdlein auf der lichten Au;
Da kam wohl aus dem grünen Wald
Eine wunderschöne Frau.

5
Sie trat zum Mägdlein freundlich hin,

Sie schlang ein Kränzlein ihm in’s Haar:
„Noch blüht es nicht, doch wird es blühn;
O trag’ es immerdar!“

Und als das Mägdlein größer ward,

10
Und sich erging im Mondenglanz,

Und Thränen weinte, süß und zart:
Da knospete der Kranz.

Und als ihr holder Bräutigam
Sie innig in die Arme schloß:

15
Da wanden Blümlein wonnesam

Sich aus den Knospen los.

Sie wiegte bald ein süßes Kind
Auf ihrem Schooße mütterlich:
Da zeigten an dem Laubgewind

20
Viel goldne Früchte sich.
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0158.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)