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Thorilde (singt:)

Wohl sitzt am Meeresstrande
Ein zartes Jungfräulein,
Sie angelt manche Stunde,
Kein Fischlein beißt ihr ein.

Sie hat ’nen Ring am Finger
Mit rothem Edelstein,
Den bindt sie an die Angel,
Wirft ihn in’s Meer hinein.

Da hebt sich aus der Tiefe
’ne Hand, wie Elfenbein,
Die läßt am Finger blinken
Das goldne Ringelein.

Da hebt sich aus dem Grunde
Ein Ritter, jung und fein,
Er prangt in goldnen Schuppen
Und spielt im Sonnenschein.

Das Mägdlein spricht erschrocken:
„Nein, edler Ritter, nein!
Laß du mein Ringlein golden!
Gar nicht begehrt’ ich dein.“

„Man angelt nicht nach Fischen
Mit Gold und Edelstein,
Das Ringlein lass’ ich nimmer,
Mein eigen mußt du seyn.“

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)