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Noch schmerzlicher – wann sich der Lenz belebt,
Da will des Greisen Wange neu sich röthen,
Sich zu verjüngen meint das matte Herz;
Ach! kurze Täuschung nur!
Der dürre Stamm, er treibt ein schwaches Laub,
Doch zu gesunder Blüthe bringt er’s nicht.
Drum lob’ ich diese wechsellose Gegend,
Wo nichts im Herzen weckt der Sehnsucht Qual.

 Dietwald (seitwärts zum Herzog.)

Der Prediger in der Wüste hier hat wohl
Seit langer Zeit sich nicht mehr ausgesprochen.

Einsiedler.

Es ist, als wäre diese Gegend früh
Zurückgeblieben hinter’m Schritt der Zeit.
Die weiten, stillen Wälder, wo der Mensch,
Des Schöpfers letztes Werk, noch fehlt.
Und dort noch in der Ferne das Gebirg,
Das liegt nun vollends außer aller Zeit.
Auch nicht das Pflanzenreich ist dort geschaffen;
Die Elemente sind noch nicht geschieden.
Ein Chaos ungeheurer Felsenblöcke,
Voll tiefer Klüfte, drein kein Licht noch fiel,
Nur daß oft Flammen aus dem Abgrund zucken!
Die dunkeln Wasser rauschen schaurig drunten,
Und Wolken liegen in den Schluchten hin.
Es kam mich einsmals dort gar seltsam an,
Als ich so über die todten Massen
In eigner kräftiger Bewegung schritt.
Es glüht mein Aug’, es hebet sich mein Arm,
Mein Mantel wallt, es flattern meine Locken,

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0135.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)