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Die zwo Jungfraun.


Zwo Jungfraun sah ich auf dem Hügel droben,
Gleich lieblich von Gesicht, von zartem Baue;
Sie blickten in die abendlichen Gaue,
Sie saßen traut und schwesterlich verwoben.

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Die Eine hielt den rechten Arm erhoben,

Hindeutend auf Gebirg und Strom und Aue;
Die Andre hielt, damit sie besser schaue,
Die linke Hand der Sonne vorgeschoben.

Kein Wunder, daß Verlangen mich bestrickte

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Und daß in mir der süße Wunsch erglühte:

O säß’ ich doch an Einer Platz von Beiden!

Doch wie ich länger nach den Trauten blickte,
Gedacht’ ich im besänftigten Gemüthe:
Nein! wahrlich, Sünde wär’ es, sie zu scheiden!

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0110.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)