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Der König auf dem Thurme.


Da liegen sie alle, die grauen Höhn,
Die dunkeln Thäler, in milder Ruh;
Der Schlummer waltet, die Lüfte wehn
Keinen Laut der Klage mir zu.

5
Für Alle hab’ ich gesorgt und gestrebt,

Mit Sorgen trank ich den funkelnden Wein;
Die Nacht ist gekommen, der Himmel belebt,
Meine Seele will ich erfreun.

O du goldne Schrift durch den Sterneraum!

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Zu dir ja schau’ ich liebend empor.

Ihr Wunderklänge, vernommen kaum,
Wie besäuselt ihr sehnlich mein Ohr!

Mein Haar ist ergraut, mein Auge getrübt,
Die Siegeswaffen hängen im Saal,

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Habe Recht gesprochen und Recht geübt,

Wann darf ich rasten einmal?

O selige Rast, wie verlang’ ich dein!
O herrliche Nacht, wie säumst du so lang,
Da ich schaue der Sterne lichteren Schein,

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Und höre volleren Klang!
Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Uhland: Gedichte von Ludwig Uhland (1815). J. G. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1815, Seite 014. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:UhlandGedichte1815_0014.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)