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Einleitung


1.

Ich gebe mir alle Mühe, sachlich zu sein. Ich zwinge mein Herz, stumm zu bleiben, wenn es auch glaubt, viel sagen zu müssen. Stets befürchte ich, daß ich nur Seufzer niedergeschrieben habe, wo ich die Wahrheit aufzuzeichnen wähnte.

Diesen Stoßseufzer schiebt Henri Beyle, der sich „von Stendhal“ nannte, mitten zwischen zwei Kapitel seines Buches „Über die Liebe“; er ist gleichsam das Leitmotiv für dieses Werk eines empfindsamen, leidenschaftlichen Herzens, einer „schönen Seele“ und eines kalten, zergliedernden Verstandes, das mit unerschrockenem Tatsachensinn und unter beständigem Zwange zu Einfachheit und Sachlichkeit geschrieben wurde. „Nur kein Pathos“, dachte der Verfasser mit Talleyrand; und doch „habe ich ihn nie anders als verliebt gesehen, oder im Glauben, es zu sein“, erzählt sein Freund Prosper Mérimée; und „ohne Liebe bin ich nichts“, bestätigt er selbst in seinem Tagebuche.

Als er es im Jahre 1822 unternahm, „sein Herz zu drucken“, trat er in sein vierzigstes Lebensjahr. Die frühesten der über das Buch nach Tagebuchart verstreuten Daten reichen bis ins Jahr 1807 zurück, also in sein fünfundzwanzigstes

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite I. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_V_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)