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nach Tripolis zu bringen. Man benachrichtigte die Prinzessin; sie kam an sein Lager und nahm ihn in ihre Arme. Er fühlte ihre Anwesenheit, konnte wieder hören und sehen und lobte Gott, daß er ihm sein Leben so lange gelassen habe, um die Prinzessin noch zu sehen. So starb er in ihren Armen und sie ließ ihn im Hause der Templer zu Tripolis mit Ehren bestatten. Am selben Tage ging sie aus Schmerz um ihn und seinen Tod ins Kloster.“ (Übersetzt aus einer provençalischen Handschrift des dreizehnten Jahrhunderts.)


148.

Es ist ein Merkmal der Liebe, daß alle Freuden und Leiden, die jede andere Leidenschaft und jedes andere menschliche Begehren verursacht, uns mit einem Male nicht mehr berühren.


149.

„Ich werde nie lieben können,“ sagte eine junge Frau zu mir, „Mirabeau und seine ‚Briefe an Sophie‘ haben mir die großen Seelen verleidet. Diese unheilvollen Briefe haben auf mich den Eindruck persönlicher Erfahrungen gemacht.“

„Suchen Sie, wenn es auch in Büchern nie so ist, das Herz Ihres Verehrers vor der völligen Hingabe zu gewinnen, bleiben sie zwei Jahre standhaft.“


150.

Was für ein Augenblick ist der Händedruck der geliebten Frau, Das einzige damit vergleichbare Glück ist das berauschende Bewußtsein der Macht, das Könige und Minister zu verachten sich den Anschein geben.


151.

Eine junge Frau hat einen Geliebten, den sie schlecht behandelt und von dem sie sich kaum die Hand küssen

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 317. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_317.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)