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108.

Die Liebe in der höchsten Gesellschaft ist Liebe am Kampf, Liebe am Spiel.


109.

Sei es aus Eitelkeit, aus Mißtrauen oder aus Furcht vor unglücklicher Liebe: die meisten Weltmänner beginnen eine Frau erst nach ihrer Hingabe zu lieben.


110.

Je allgemeiner man gefällt, um so flüchtiger gefällt man.


111.

Die galanten Frauen erniedrigt der Gedanke, den sie selbst haben und den man von ihnen hat, nämlich der, daß sie einen großen Fehltritt begehen.


112.

Am Ende eines Besuches behandelt man schließlich einen Geliebten immer besser, als man möchte.


113.

Nichts tötet die Liebe aus Galanterie schneller, als Anwandlungen von Liebe aus Leidenschaft.


114.

Wenn man in der Liebe das Geld teilt, so steigert man die Liebe; wenn man welches gibt, tötet man sie.

Man bannt das augenblickliche Unglück und die häßliche Furcht vor künftigem Mangel, oder besser gesagt, man ruft die Empfindung hervor, daß man zu zweit ist, und die daraus entstehende Politik; man zerstört die Einheit.


115.

Die Liebe ist wie ein Fieber, das zwei Menschen gleichzeitig befällt. Wer von beiden zuerst gesundet, den langweilt der andere gräßlich.



Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_306.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)