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Schönheit des Mondscheins, des Waldes, der Malerei, mit einem Worte, die Empfindung und den Genuß des Schönen in jeder Gestalt, und sei es unter einem groben Wollkleide. Diese Liebe findet das Glück auch ohne Reichtum, Sie feit die Seelen gegen Blasiertheit und macht die Menschen aus übergroßer Empfindlichkeit toll wie Rousseau. Frauen von gewisser Seelengröße, die nach der ersten Jugend zwischen Liebe und Liebe wohl zu unterscheiden verstehen, entgehen meistens den Don Juans, für die mehr die Zahl, als die Eigenschaften der eroberten Herzen Wert hat. Zum Nachteil der Selbstachtung zarter Seelen ist den Don Juans die Öffentlichkeit zum Triumph genau so nötig, wie das Geheimnis den Werthernaturen. Die meisten Männer, die sich berufsmäßig mit den Frauen beschäftigen, sind im Reichtum geboren, also infolge ihrer Erziehung und durch das Vorbild der Umgebung ihrer Jugendzeit egoistisch und kalt. Schon Marc Aurel sagt in seinen „Selbstbetrachtungen“: „Im allgemeinen sind die Patrizier weiter als andere Menschen davon entfernt, etwas zu lieben.“

Die echten Don Juans sehen schließlich in den Frauen ihre Feinde und finden an deren vielfältigem Unglück Genuß.

Im Gegensatz hierzu hat mir der liebenswürdige Fürst Pignatelli in München (1820) die wahre Art gezeigt, wie man in der Wollust selbst ohne Liebe aus Leidenschaft glücklich sein kann. Er gestand mir eines Abends: „Wenn ich vor einer Frau ganz betroffen dastehe und nicht weiß, was ich ihr sagen soll, so erkenne ich daran, daß sie mir gefällt.“ Keineswegs errötete er in seiner augenblicklichen Verwirrung oder

Empfohlene Zitierweise:
Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_242.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)