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erwiderte Djamil. – „Ich glaubte nicht, daß du ein strenger Anhänger des Islam seiest,“ sagte Sohail, „und dann hast du vor zwanzig Jahren Bothaina geliebt und sie in deinen Liedern gefeiert.“ – „Jetzt bin ich,“ antwortete Djamil, „am Ende dieser und am Anfange der anderen Welt und ich will, daß sich die Gnade unseres Herrn und Meisters Mohammed am Tage des Gerichts von mir abwenden möge, wenn ich Bothaina je in sträflicher Weise berührt habe.“

Djamil und seine Geliebte Bothaina gehörten alle beide dem Stamme des Asra an, die unter allen Arabern wegen ihrer Liebe berühmt sind. Ihre Liebe ist sprichwörtlich geworden, und Gott hat nirgends Wesen geschaffen, die gleich viel Zartgefühl in der Liebe besitzen.

Sahid, Agbas Sohn, fragte eines Tages einen Araber: „Von welchem Stamme bist du?“ – „Ich bin vom Stamme derer, welche sterben, wenn sie lieben,“ antwortete der Araber. – „So bist du vom Stamme der Asra,“ sagte Sahid. – „Ja, beim Herrn der Kaaba!“ versetzte der Araber. – „Wie kommt es, daß ihr so liebt?“ fragte darauf Sahid. – „Unsere Frauen sind schön und unsere jungen Männer keusch!“ erwiderte der Araber.

Jemand fragte einmal den Dichter Aruâ-Ben-Hezam: „Ist es denn wahr, was man von Euch erzählt, daß Ihr von allen Menschen in der Liebe das zarteste Herz habt?“ „Bei Gott, es ist wahr,“ antwortete Aruâ, „und ich habe dreißig junge Männer meines Stammes gekannt, die der Tod hingerafft hat, und die keine andere Krankheit hatten, als die Liebe.“ –

Ein Araber vom Stamme der Fazârat sagte eines Tages zu einem anderen Araber vom Stamme der

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Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_202.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)