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schwöre und verspreche dir, daß ich meine ganze Macht für dich aufwenden werde.“ Darauf gab er ihm sein Wort, und als er es gegeben hatte, sagte er: „Ich will, daß wir in ihr Schloß gehen, denn es liegt nicht weit von hier.“ – „Ich bitte Euch darum, bei Gott!“ stimmte Wilhelm zu.

So schlugen sie den Weg nach der Burg Liet ein. Dort wurden sie von Herrn Robert von Tarascon, dem Gemahl der Frau Agnes, der Schwester der Frau Margarete, und von Frau Agnes selbst wohl aufgenommen. Herr Raimund nahm Frau Agnes bei der Hand und führte sie in ihr Gemach, und sie setzten sich auf das Bett. Und Herr Raimund sprach: „Jetzt sprich, Schwägerin, bei der Treue, die du mir schuldest, hast du eine Liebe?“ – „Ja, Herr!“ – „Und wer ist es?“ – „Oh, das sage ich nicht,“ erwiderte sie, „was führt Ihr da für Reden?“

Schließlich bestürmte er sie mit Bitten, und sie vertraute ihm an, daß sie Wilhelm von Cabestaing liebe. Sie sagte das, weil sie bemerkt hatte, daß Wilhelm traurig und nachdenklich war und weil sie von seiner Liebe zu ihrer Schwester wußte. Auch fürchtete sie, Raimund könne Schlechtes gegen Wilhelm planen. Ihre Antwort versetzte Raimund in große Freude. Agnes erzählte alles ihrem Gemahl und er antwortete ihr, daß sie wohl getan hätte, und gab ihr die Freiheit, alles zu sagen und zu tun, um Wilhelm zu retten. Agnes ließ es nicht daran fehlen. Sie rief Wilhelm ganz allein in ihre Kammer und verweilte so lange mit ihm, daß Raimund dachte, er müsse mit ihr die Freuden der Liebe genossen haben. Alles das war ihm recht und er begann zu glauben, daß das, was

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Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_185.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)