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Beschwerden offen anzubringen, verbreiten sie heimlich ungünstige Gerüchte über den armen Fremden. In Frankreich würde die öffentliche Meinung solche Leute zwingen, entweder ihre Verdächtigungen zu beweisen oder dem Fremden Genugtuung zu geben. Hier gilt die öffentliche Meinung und die Verachtung nichts. Ein Reicher ist sicher, überall gut aufgenommen zu werden. Ein Millionär, der sich in Paris unmöglich gemacht hat, kann in aller Ruhe nach Rom pilgern. Dort wird er genau so hoch eingeschätzt werden, wie seine Scudi.


45. Ein Tag in Florenz

Heute Abend, am 12. Februar 1819, sprach ich in einer Loge mit einem Herrn, der irgend ein Anliegen an einen fünfzigjährigen Beamten hatte. Seine erste Frage war: „Wer ist seine Geliebte? Chi avvicina adesso?“ – Hier sind alle solche Verhältnisse vollkommen bekannt, sie haben ihre Gesetze und es gibt eine anerkannte Art, sich dabei zu benehmen, die sich ohne Rücksicht auf das Herkommen fast nur auf die Billigkeit stützt. Andernfalls ist man ein „porco“.

„Was gibt’s Neues?“ fragte mich gestern ein Freund, der aus Volterra kam. Nach einem kräftigen Stoßseufzer über Napoleon und die Engländer fährt man im Ton der lebhaftesten Teilnahme fort: „Die Vitteleschi hat ihren Liebhaber gewechselt; der arme Gherardesca ist in Verzweiflung.“ – „Wen hat sie nun?“ – „Den Montegalli, den schönen Offizier mit dem Schnurrbart, der die Prinzessin Colonna hatte. Sehen

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Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_150.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)