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„Selbst die Härte der geliebten Frau ist voll unendlicher Anmut, wie man sie an ungeliebten Frauen nicht in den verführerischesten Augenblicken findet. Genau so wirken die großen Schattenflächen der Bilder von Correggio; weit entfernt, wie bei anderen Malern gleichgiltige Teile zu sein, die aber nötig sind, um die Bilder besser herauszubringen und die Figuren mehr hervortreten zu lassen, haben sie bei ihm ihren besonderen, bestrickenden Reiz und verführen zu holden Träumen.

Sicherlich bleibt das halbe Leben, gerade die schönere Hälfte, einem Manne fremd, der nicht leidenschaftlich geliebt hat.“

Er mußte die ganze Kraft seiner Beredsamkeit aufbieten, um dem besonnenen Schiassetti standhalten zu können, denn dieser sagte gewöhnlich: „Wenn Ihr glücklich sein wollt, gebt Euch mit einem schmerzlosen Leben und täglich einer kleinen Dosis Glück zufrieden; haltet Euch vom Würfelspiel der großen Leidenschaften fern.“ – „Dann mußt du mir erst deine Neugier geben,“ entgegnete Salviati.

Ich glaube, er hätte manchmal sehr gern den Lehren des verständigen Obersten folgen mögen; er kämpfte mit sich und er glaubte damit Erfolg zu haben, aber das ging über seine Kraft. Und wie stark war doch seine Seele!

Wenn er auf der Straße einen weißseidenen Hut, ähnlich wie ihn Frau *** trug, von weitem erblickte, so hörte sein Herz auf zu klopfen und er mußte sich gegen eine Mauer lehnen. Selbst in seinen trübsten Augenblicken gab ihm das Glück, ihr zu begegnen, jedesmal ein paar freudetrunkene Stunden, auf die all

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Stendhal übersetzt von Arthur Schurig: Über die Liebe (De l’Amour). Leipzig 1903, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ueber_die_Liebe_092.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)