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Was riechst du, Walt Wrobel –?

Ich rieche die warme, wassergeschwängerte Luft der öffentlichen Schwimmhallen, untermischt mit der Ausdünstung von nackten Leibern;

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ich rieche an mir selbst und finde mich durchaus sympathisch riechend;

ich rieche die frische Stube im Gebirge, es riecht nach Sonne, Holz und Thymian;
ich rieche die kräftige Mannesatmosphäre des Kaufmanns, der es gut meint, mir aber zu nahe auf den Hals rückt;
ich rieche den Teer- und Wassergeruch im Hafen von Rostock, das Wasser steht still, und die Luft spricht plattdeutsch;
ich rieche den realpolitischen Redner in der Deutschen Demokratischen Gesellschaft, aber ich kann ihn nicht riechen –

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Das riecht mein Geruch.


Was fühlst du, Walt Wrobel –?

Ich fühle in meinem Nabel eine kleine Wollkugel, die sich da weiß und dick aufhält, liebevoll grabe ich sie hervor;
ich fühle ein neues Gefühl an ungeahnten Orten, wenn mir der witzige Nasenarzt mit einer Stricknadel ins Ohr fährt;
ich fühle im Unterfutter einen Bleistift, den ich lange verloren wähnte, ein rundes Geldstück und ein unbekanntes Ding;

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ich fühle den vertrauten Widerstand einer alten, bekannten Klinke;

ich fühle das harte Messingteil des Strumpfbandes meiner Geliebten auf meiner Backe, die ich daran gepreßt habe, als das Band auf dem Tisch lag;
ich fühle die Wollust, aber ich kann sie nicht beschreiben, denn in meinem Konversationslexikon steht: „Wollust (siehe Zeugung), nicht näher zu beschreibendes Gefühl …“ –
Dies fühlt mein Gefühl.

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Ernst Rowohlt, Berlin 1928, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_347.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)