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Behörde inspiriert. Er ging hin – das war im Jahre 1924 –, er ging wirklich hin, stellte die Frau und sprach:

„Liebe Frau. Ihr Platz im Paradiese ist Ihnen sicher. Für 60 000 Franken, Betrag dankend erhalten. Aber – damit Sie sich keinen Illusionen hingeben und mir etwa im Jenseits Vorwürfe machen: es ist ein Stehplatz!“

Die Frau setzte sich abermals. Was … was man denn da tun könne? Ja, sagte achselzuckend der Priester, man könne ja vielleicht einen Sitzplatz kaufen – obgleich die sehr, sehr gesucht seien. Es sei fast ausverkauft. Aber er habe Beziehungen … Übrigens koste ein Sitzplatz 80 000 Franken. Und da beschloß die Frau, auch noch die 20 000 flüssig zu machen, und sie begründete das auch. Cidre macht trunken – aber keine Dichter. Diese Antwort kann nicht erfunden sein. Sie sagte:

„Ich werde Ihnen auch noch die 20 000 geben. Denn ich möchte einen Sitzplatz, parce que c’est pour l’éternité!“ – Weil es doch für die Ewigkeit ist …

Nun aber griff der liebe Gott ein, seines Zeichens bekanntlich langsam, aber sicher mahlender Mühlenbesitzer. Die gute Frau hatte Verwandte, denen die Wirtschaft in den Renten- und Aktienbeständen ihrer Tante, Großmutter und Schwester nicht unbekannt blieb, sie forschten nach, die Sache wurde ruchbar, es gab einen mächtigen, aber lautlosen Skandal – und der Priester wurde exkommuniziert. Alle frommen Seelen durften aufatmen. Aber nicht lange.

*

Der verjagte Priester gab das Geld nicht her. Er begründete vielmehr damit – wer wollte es ihm verübeln! – eine Milchwirtschaft und reiste im Land umher; übrigens immer noch in der Soutane, weil das mehr zog, er hatte die modernsten Milchmaschinen

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Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Berlin: Ernst Rowohlt, 1928, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_186.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)