Seite:Tucholsky Mit 5 PS 175.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Musik nicht unangenehm“, hat Jean Cocteau einmal gesagt. Oh, sie sind hier sehr gebildet. Vor einiger Zeit haben sie sogar einen Abend gegeben: „Le lied à travers les âges“ – die geschichtliche Entwicklung des deutschen „Liedes“, mit gesungenen Beispielen.

Bétove fährt also fort; jetzt singt er etwas Spanisches, er kann kein Wort dieser Sprache, soviel ist einmal sicher, aber er gurgelt und lispelt ein Spanisch, wie er es auffaßt; er hats gehört, wenn die spanischen Paare auf dem Varieté in die kontraktliche Leidenschaft kommen. Sogar die Pause ist da, in der nur die Schritte der Tanzenden rhythmisch auf den Planken schleifen, tschuck-tschuck-tschuk – da setzt die Musik wieder ein. Das ist gewiß nicht neu; wir haben das hundertmal gehört, wie einer englische songs kopiert, französisch näselt. Pallenberg kann das meisterlich und Curt Bois auch … Aber Bétove kündigt nun noch mehr Nationallieder an, nennt einen Namen, den ich nicht genau verstehen kann. Fritz …? und beginnt ein Vorspiel. Still –

Das Präludium ist edel-getragen, und der kleine Mann am Klavier macht ein trauriges Gesicht, bekümmert den Kopf schüttelnd blickt er offenbar in das goldige Grün des Waldes, was mag sein blaues Auge sehn? Und nun beginnt er zu singen, und mir läuft ein Schauer nach dem andern den Rücken herunter.

Das ist kein Deutsch. Der Mann kann wahrscheinlich überhaupt nicht Deutsch, aber es ist doch welches. Es ist das Deutsch, wie es ein Franzose hört – Deutsch von außen. Da klingt: le „lied“.

Ein deutscher Mann schreitet durch den deutschen Wald, die Linden duften, und die deutsche Quelle strömt treuherzig in einem tiefen Grunde.

Im grünen Wallet
zur Sommerszeit –

Empfohlene Zitierweise:
Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Berlin: Ernst Rowohlt, 1928, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_175.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)