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Im Pariser Gewerkschaftssaal saß ein Teil von Deutschlands Jugend. Sie sollen noch oft nach Frankreich kommen. Aber nicht als Stiefelputzer ihrer Etappenkommandanten; um Frauen zwangsweise ärztlich auf Geschlechtskrankheiten zu untersuchen, um Möbel zu stehlen, um Zivilbevölkerung zur Arbeit zu treiben, um Menschen erschießen zu lassen – sie sollen wiederkommen, um ein einziges Wort zu ihren französischen Arbeiterkameraden zu sagen:

Brüder.


Französisches Militärgericht in Paris

Conseil de Guerre. Ein kleiner Saal mit kahlen Wänden, der einzige Schmuck ist eine alte Wanduhr. Die Fenster sind grün verhangen, der Zuschauerraum ist durch Eisenstangen abgeteilt. Hinten an der Wand, dem Gerichtshof gegenüber, eine lange Bank mit sechs Soldaten darauf. Das Ganze liegt im Militärgefängnis zu Paris.

Das Gericht besteht aus dem Vorsitzenden und sechs Dienstgraden in verschiedenen Uniformen. Die Gesichter sind – mit einer Ausnahme – anständig; immerhin ist in den Augen meist etwas, das einen den Wunsch aussprechen läßt, mit den Herren dienstlich und zu Kriegszeiten lieber nichts zu tun zu haben … Links der Staatsanwalt, le commissaire du gouvernement, ein dicker, hindenburgartiger Mann mit einem leichten Tick in den Schultern; neben ihm der greffier, ein Herr mit merkwürdig kleinem Hinterkopf. Das, was man in Deutschland gern als „Kasernenfresse“ bezeichnet, ist hier seltner. Rechts der Angeklagte, und zwar einer in Zivil. Hinter ihm sein Verteidiger und die der nächsten Affären – drei in Zivil, einer in Uniform.

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Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Berlin: Ernst Rowohlt, 1928, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_160.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)