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In der lieben Heimat kommt man noch halbwegs um die Menagerie herum. Braucht man die Polizeilöwen nicht, dann kann es sein, daß sie einen nicht verschlingen. Aber fassungslos steht der Fremde in der Fremde vor so viel Dummheit, Bosheit, Flegelhaftigkeit, vor einem solchen Ausmaß von Niedertracht und Pedanterie. Und fassungslos sucht er die ausländischen Freunde auf und fragt sie: „Aber … wie ist es möglich …?“ Und siehe, dieselben Leute, die sonst so nett zu ihm sind, die eben noch mit ihm offen und männlich über Geschäfte, Politik, Frauen und Bücher gesprochen haben, bekommen plötzlich etwas Geducktes im Blick, ein Schimmer von bösem Gewissen geht über sie hin, sie senken die Augen. „Tja …“ Achselzucken. Meist wissen sie gar nicht, was „ihre“ Polizei mit den Fremden macht. Helfen können sie nicht. Gute Schüler, die sich schön hüten werden, sich einzumischen, wenn der Lehrer einen aus der letzten Bank beim Wickel hat.

Daß mir jemand meine Uhr stiehlt, geht nicht an – das ist allgemein anerkannt. Daß er mir aber meine Zeit stiehlt, diese meine Zeit, in der ich arbeiten, Geld verdienen, mich meines Lebens freuen will – das geht sehr wohl an, wenn der Dieb nur einen Helm trägt, eine bunte Mütze, einen Säbel oder, mit aufgeknöpftem Uniformkragen oder im kümmerlichen Zivil, in der Polizeischreibstube sitzt. Gottes Wege sind erforschlich – die der Polizei sind es nicht.

Der Untertan schimpft auf den Obertan, den Polizeimann; es gibt eine ganze Literatur in den Zeitungen, wo in gewundenen Ausdrücken, voll der überlegensten Ironie auf die „hohe Obrigkeit“ gescholten wird – immer mit diesem verquetschten Ton in der Kehle: „Wenn er kommt, alle unter die Bänke!“ Polizeistaat? Aber das ist ein Pleonasmus.

Denn solange die Menschheit mit aller Gewalt, durch

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Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Berlin: Ernst Rowohlt, 1928, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_131.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)