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dir bald über werden! – und denn jing det so ’ne janze Weile. So fein wie früher war es ja nu nich. Die feinen Leute, die noch so manchmal so von früher herkamen, die lachten mir denn immer so vertraut an, so, als wollten sie sahren: Was? Wir zwei Beede haben doch schon bessere Tage gesehn! Aber ick sachte janischt und stand mit meine Olle auf den Boden der gegebenen Tatsachen. Na – und neulich, am dreizehnten März – ick sahre noch zu meine Olle: „Du,“ sahre ick, „jib mir mal ’n Kümmel – mir is heute so komisch“ – da kloppt et janz frühmorgens zu nachtschlafende Zeit an mein Guckfenster, und draußen steht ’n Herr – und lacht und sagt: „Nu regieren wir hier!“ Na, ick jing denn janz still in meine Klause und dachte: Macht man! Diß wird euch bald über werden! Und richtig: das wurde sie auch. Erst liefen ja hier mächtig ville Offiziere rum, mit Monokel, und Ludendorff kam auch, und ick riß die Knochen zusammen und jrüßte ihm, und er winkte jnädig ab – und denn rejierten sie da. Aber wie das so is: eines Morgens – da waren sie weg – und zwei Stunden später – da kloppt et an meine Türe, und da stand der Herr von früher und sachte: „Morgen! Morgen!“ sacht er. „Ja – nu rejieren wir hier!“ Und ick jing janz still in meine Klause… Und jeden Morgen, wenn ick uffstehe un meine Olle sich die Zeppe uffstecken tut, denn die hat se, denn steh ick ans Fenster und gucke so uff die leere Wilhelmstraße, wo die Spatzen in die Pferdeäppel picken, und denn denk ick mir so: Wer kommt nu –?

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Kurt Tucholsky: Mit 5 PS. Berlin: Ernst Rowohlt, 1928, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tucholsky_Mit_5_PS_029.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)