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Zu jeder That, die meinen Arm regieren,
Und die schon in der Kindheit mich umrauschten.
     Als Knabe schon, wenn ich alleine spielte,
Gewahrt’ ich oft zwey neblichte Gestalten,

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Die weit ausstreckten ihre Nebelarme,

Sehnsüchtig sich in Lieb umfangen wollten,
Und doch nicht konnten, und sich schmerzlich ansahn!
Wie luftig und verschwimmend sie auch schienen,
Bemerkt’ ich dennoch auf dem einen Antlitz

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Die stolzverzerrten Züge eines Mannes,

Und auf dem andern milde Frauenschönheit.
Oft sah ich auch im Traum die beiden Bilder,
Und schaute dann noch deutlicher die Züge;
Mit Wehmuth sah mich an der Nebelmann,

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Mit Liebe sah mich an das Nebelweib. –

Doch als ich auf die hohe Schule kam,
Zu Edinburgh, sah ich die Bilder seltner,
Und in dem Strudel des Studentenlebens
Verschwammen meine bleichen Traumgesichte.

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Da brachte mich auf einer Ferienreise

Zufall hierher, und nach Mac-Gregors Schloß.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_029.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)