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Douglas.
Wer darf Mariens Ruh’ gefährden, sprecht?

Mac-Gregor.
Hört ruhig an die traurige Geschichte.
     Sechs Jahre sind es jetzt, da kehrte ein
Bey uns in’s Schloß ein fahrender Student

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Aus Edinburgh, mit Namen William Ratcliff.

Den Vater hatt’ ich einst gekannt, recht gut,
Recht gut, recht gut, er hieß Sir Edward Ratcliff.
Gastfreundlich nahm ich also auf den Sohn,
Und gab ihm Speis und Obdach, vierzehn Tage.

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Er sah’ Marie, und sah’ ihr in die Augen,

Und sah’ dort viel zu tief, begann zu seufzen,
Zu schmachten und zu ächzen, – bis Maria
Ihm rund erklärte: daß er lästig sey.
Die Liebe packt’ er in den Korb und ging. –

120
     Zwey Jahre drauf kam Philipp Macdonald,

Der Earl von Ais, warb um Mariens Hand,
Und warb mit gutem Glück, und nach sechs Monden
Stand am Altare, hochzeitlich geschmückt,
Die holde Braut – der Bräut’gam aber fehlte.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Heine: Tragödien nebst einem lyrischen Intermezzo. Dümmler, Berlin 1823, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tragoedien_nebst_einem_lyrischen_Intermezzo_011.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)