Seite:Tractat von dem Kauen und Schmatzen der Todten in Gräbern 056.jpg

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Einbildung zueignen. Wir geben zwar zu, daß wir durch die Sinne die Wahrheit empfinden, aber es müssen dieselben unversehrt, gesund und richtig seyn. Es kan aber dieselben nichts mehr verderben, als Furcht und Schrecken, welches nach dem Ausspruch des Ciceronis, das Gemüthe verrücken[1] kan. Es scheinen alsdenn viele Dinge, als wenn sie würcklich wären, und sind es doch nicht. Denn wenn das Schrecken das Hertze einnimmt, verrückt es den Verstand, erfüllt das Gemüthe mit vielen nichtigen Bildern, und macht es voller Irrthum und Ungewißheit. Wer will sich daher verwundern, wenn ein Schreckens-volles Weib, oder sonst eine Person dieses Gelichters auff denen Kirchhöfen und Gottes-Aeckern bisweilen etwas klopffen und rauschen gehört, welches doch nichts, denn eine falsche Einbildung ist[2]. Man könte eine grosse Anzahl von Exempeln anführen, wenn wir alle Jahr-Bücher und Chronicken, die man in unserm Sachsen fast von einer iedweden Stadt aufweisen kan, durchgehen wolte. Nur eins davon anzuführen, so wird erzehlt, daß einsmahls zu Harburg in dem Grabe einer gewissen Adelichen Dame einige Tage lang ein Klopffen gehört worden. Nachdem man nun das Grab so wohl als den Sarg geöffnet, hat man an dem Cörper nicht das geringste Zeichen eines Lebens oder


  1. mentem loco movere.
  2. κατ’ εἰδώλων φαντασία.