Petronell (allwo vor Alters die grosse Statt Carnuntum gestanden) ein noch andere Kirch auffgericht / so auch noch alldorten zusehen / zu Ehren der H. Petronillae oder Petronellae, welche deß H. Apostels Petri Tochter gewesen / dahero dann nachmals von dem gemeinen Volck / eben dieser Orth Petronella oder Peternell genennt worden / vnd wird in der vhralten Chronick deß Closters Gotwick oder Gottwein gelesen / daß der H. Altmanus, vmb das Jahr Christi 1072. von Sigehardo dem Patriarchen zu Aquileia, erlangt habe / die Capell S. Peters in Fabiana, das ist / zu Wien / vnd die Capell zu S. Petronella. So ist aber zu folgenden Zeiten ein Adeliches Geschlecht gewesen / welche man genent die Herren von S. Petronell, auß welchen einer gewesen mit Nahmen Albrecht von Petronell, so vmb das Jahr Christi 1262. gelebt / als aber diß gantz Geschlecht abgestorben / haben solche Herrschafft die Herren von Cranichberg bekommen / von welchen sie nach vnnd nach auff einen Vngarischen Ritter kommen / Nahmens Andreas Eberhardus Rauber / Herr zu Planckenstein vnd Peternell, so vmb das Jahr Christi 1561. noch bey Leben gewesen / von ihme aber auff die Freyherren Vnverzagt / von welchen diese Herrschafft (die Wolgebohrne Fraw Margareta Weberin / ein gebohrne Gräfin von Conzin) käufflich an sich gebracht / vnd nach ihrem Todtsfall / auff ihre eintzige hinterlassene Tochter / der Hoch- vnd Wolgebohrnen Frawen / Fr. Catharina Ursula, Gräfin von Abensberg vnnd Traun / ein gebohrne Weberin / Freyin / Erblich kommen / vnd durch Heurath von Herrn Grafen von Abensberg von Traun / Obristen Land-Marschalln im Ertz-Hertzogthumb Oesterreich vnter der Enß / possidirt vnd besessen wird. Es ligt dieses Schloß vnd Herrschafft an einem fruchtbahren Orth / hart an der Donaw auff einem hohen Vfer zimlich befestiget / vnd einem grossen Thiergarten / darin ein wunderliches altes Heydnisches Gebäw vnter der Erden / welches man nicht wol wissen kan / was es gewesen / dann die Seulen nicht viel über Ehlen hoch / vnd nicht viel über halb Ehlen von einander stehen / vnd kan man deren biß in etlich vnd zwantzig zehlen / hat vnten vnd oben ein schönes hartes Pflaster / auch findet man viel seltzame hole Ziegelstein einer an dem andern wie die Orgelpfeiffen / haben durch vnd durch ablange Löcher daß der Lufft durch vnd durch spielen kan / ist auch das gantze Wesen von überauß harten vnnd klingenden Ziegelsteinen gemacht. Auch hat es ein Büchlein fliessend durch den gantzen Thiergarten / welches man nennet den Heydnischen Brunnen / welches Bächel mit überauß grossen Ziegelsteinen gewölbet / vnnd kan man dessen Vrsprung dato noch nicht finden / man hat vor einem Jahr / das ist / anno 1654. zween von gehawenen Steinen Särcke gefunden / welcher Steine sechs den gantzen Sarck gemacht / in deren jedem ein Todten-Cörper gefunden / die Gebein so schön bey einander / als ob sie anatomirt wären / aber nach Berührung derselben ist alles zu Staub vnd Aschen gefallen / auch bey dem Einen / ein brennend Liecht / welches nach Eröffnung der Lampen alsobald verschwunden / bey dem Andern ein steinern Krug gefunden worden. Es ist auch der Thier-Garten / wie auch ein weite Revier vmb das Schloß herumb / voller Fundamenten der alten Statt Carnunti, vnter der Erden / daß wer da bawen will / gar leichtlich die Steine haben kan / auch ist noch ein tieffer Stattgraben allda zu spühren. Oberhalb deß Thiergartens / stehet ein alte feste von Quaderstücken gebawete Kirchen / S. Johannes-Kirch genant / welche die Tempel-Herren besessen / so auch zu Petronell in dem beschlossenen Marckt gewohnet / vnd die Rudera ihrer Residentz noch zu sehen sind. Auch findet man deß obgedachten Vngarischen Ritters Herrn Andreae Eberhardi Raubers Epitaphium, in rothlechtem Marmor gantz künstlich außgehawen / welcher seinen Bart zu beyden Seiten wie Zopff geflochten / vnd biß auff die Erden hangend / daß er gar leicht darauff tretten können. Ein gute Viertel meil Wegs vom Schloß / stehet noch ein zerfallen Thor
Matthäus Merian: Topographia Provinciarum Austriacarum. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1679, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Topographia_Austriacarum_(Merian)_512.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)