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wiewol sie mehrers zum Pracht / als zur Bequemlich- und Nutzbarkeit / gemeinlich gebauet / sonsten aber weit / groß / starck / hoch / von Steinen / auffgeführt / mit Höfen / und Mahlwerck gezieret seyn. Haben sehr tieffe / weite / und ansehnliche Keller / in welchen man Stuben findet; daher gesagt wird / daß zu Wien nicht wenigere Gebäu unter- als ob der Erden seyen. Die Gassen der Statt seynd schön / und sauber / und so wol mit harten Steinen gepflastert / daß sie von den Rädern der Wägen nicht leichtlich Schaden nehmen. Es hat allhie unterschiedliche groß und mittelmässige Plätz / und Ort / da man zusammen kompt / unter welchen seynd 1. der Hoff / 2. der hohe Marckt / da das Rathhauß stehet / 3. am Graben / 4. Neumarckt / 5. Judenplatz / 6. alt Baurnmarckt / 7. Lubeck / 8. Fleischmarckt / 9. S. Peters Freudhoff / 10. beym Schottenthor / 11. Tieffe Graben / und 12. der Haarhoff / zu welchen man auch den Ort zum Stock im Eisen zehlet / an welchem Stock ein Schloß ist / von dem man fürgibt / daß es von einem zauberischen Schlösserbuben gemacht worden seye / und daß niemands solches auffthun könne.

Von Kirchen seynd allhie sonderlich zu sehen / 1. die Haupt- oder Bischöffliche Kirche zu S. Stephan / so ansehnlich / groß / hoch / und weit / aber zimlich finster ist / welche Henricus I. von Oesterreich zu erbauen angefangen haben solle / die folgends Henricus II. auß dem Bambergischen Stammen / außgebauet / wiewol die Schnecken / und anders / erst Anno 1360. darzu kommen seyn. Der Meister ist unter der Cantzel zu sehen. Den Thurn hat man Anno 1340. (al. 63.) angefangen / und in 60. Jahren hernach / nemlich Anno 1400. (G. de Roo sagt 1437.) vollendet. Man hat 436. Staffeln / und hernach an Leytern 200. Sprüssel / hinauf zu steigen / wie dann dieser Thurn 480. Werckschuch hoch ist / und daher unter die drey fürnehmste in Teutschland gerechnet wird / unter welchen er der stärckste seyn soll; dann sonsten ihme der Straßburgische an Zierlichkeit / und der Kunste / weit vorgehet. Die gröste Glock darinn wigt 244. Centner 44. Pfund / der Schwenckel drey Centner: Theils sagen wol gar von 7. Auff der andern Seiten ist noch ein anderer Thurn / diesem gleich / angefangen / aber nicht vollendet worden. Man sagt / daß der nächst verstorbene Bischoff solchen außzubauen Willens gewest sey. Anno 1590. ist vorgedachter Thurn durch Erdbidem so erschüttert worden / daß man sich seines Falls beförchtet hat / und die Spitze davon abzutragen rathschlagen müssen. Im Chor der Kirchen liegen die Marggrafen / und Hertzogen von Oesterreich / eines Theils. Zur rechten Seiten desselben stehet Käisers Friderici IV. Monument, so ihme Käiser Ferdinandus I. von rohtem Marmor sehr künstlich hat auffrichten lassen: Zur Lincken Rudolphus I. der aber nicht allhie / sondern zu Speyer begraben liegt; dabey die Reliquien von S. Stephan / S. Conraden dem Bischoff / und andern Heiligen mehr / seyn sollen. Ausserhalb sihet man den Baumeister / der an dem obgedachten unaußgemachten Thurn gebauet hat; wie auch deß Reinhard Fuchsen Grab / welcher / mit dem Pfaffen von Calenberg / an Hertzogs Otten zu Oesterreich Hoff / gelebt hat. Man hält darfür / daß Wien gar zeitlich zum Christlichen Glauben kommen / den folgends S. Quirinus, und S. Severinus allda sonderlich fortgepflantzt / welcher Letzte auch den Mamertinum, oder Mamertum, zum ersten Bischoff allhie gemacht / und / nach Zerstörung der Kirchen durch die Langobarder / mit der Zeit / der H. Rupertus, Bischoff zu Saltzburg / den Gisalaricum dahin geschickt haben / der daselbst wider eine Capellen erbaut. Man nante die Bischoffe allda Fabianenses, Favianenses, und Vigennenses. Es hat aber solches Bistum / wegen der Hunnen / oder Ungarn stätigen Verheerungen / deß Lazii Rechnung nach / vor etwas weniger / als 800. Jahren (von Anno 1643. an zuraiten) auffgehört. Und hat es von dem Jahr 1160. an / Pfarrer allhie gehabt / so / im Nahmen der Bischöffe zu Passau / das Kirchenwesen versehen. Umbs Jahr 1364. hat sich allda die Probstey erhebt / so biß auffs Jahr 1480. gewehrt; zu welcher Zeit Käiser Friederich der Vierte / vom Pabst Paulo II. erhalten / daß auß der Probstey wider ein Bistum / und Leo von Spaur / ein Tyrolischer Freyherr / zum ersten Bischoff gemacht worden ist. Ihme hat succedirt Bernhard von Ror / ein Oesterreichischer Freyherr / und diesem Andere / und darunter Bernhard Herr von Polheim / Johannes Fabri, Fridericus Nausea, Christophorus Ortueyn / alle 3. Theologi; Item / der Cardinal Melchior Clesel / so im Herbst deß 1630. Jahrs / im 77. Jahr seines Alters / allhie gestorben ist. Ihme hat Antonius, Abbt deß reichen Benedictiner Closters Krembs Münster in Ober-Oesterreich / succedirt, der am ersten den Titul eines Fürsten vom Käiser Ferdinando II. erlangt hat / und Geheimen Raths Praesident gewest ist; der auch den alten Bischoffs Hoff abbrechen / und einen sehr prächtigen / und grossen Pallast / an desselben Statt / hat auffbauen lassen. Ihme hat der jetzige Herr Bischoff / auß dem vornehmen Freyherrlichen Breunerischen Geschlecht / neulicher Zeit / succedirt. Das Einkommen so wol deß Bischoffs / als der Domherren / der obgedachten Stiffts-Kirchen / deren 16. seynd / und die alle um den Dom herumb wohnen / soll nicht gar hoch kommen.

Nach dieser S. Stephans-Kirchen ist 2. zu sehen das Schotten Closter / welches Anno 1158. von Hertzog Heinrichen von Oesterreich ist auffgerichtet / und den Schott- oder Irrländern / eingeben worden / darinn auch Er Hertzog Heinrich / so Anno 1174. gestorben / ruhet.

3. Das Closter der Minoriten / zum H. Creutz / so man auch das Welsche nennet / das König Ottocarus auß Böheim angefangen; die Königin Blanca aber / Königs Philippi deß Dritten in Franckreich Tochter / und Rudolphi, Käisers Alberti I. Sohns / Gemahlin / und Elisabetha, Königs Jacobi in Aragonien Tochter / und Käisers Friderici deß Dritten / und Schönen / besagtem Rudolphi Bruders Gemahlin / so beyde allhie ruhen / außgebauet haben. Es liegen auch da / neben einander / Georgius Basta, der berühmbte Obrister; und Heinrich Duval Graff Dampier, Freyherr von Mandrovilla, und Herr zu Han; welcher unter besagtem Basta in Ungarn gedient / hernach in unterschiedlichen Kriegen / sonderlich im Böhmischen / sich berühmt gemacht / und den 9. Octobr. Anno 1620. vor dem Schloß zu Preßburg

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Matthäus Merian: Topographia Provinciarum Austriacarum. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1679, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Topographia_Austriacarum_(Merian)_130.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)