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Außschuß / haben / neben den dreyen obangedeuten Ständen / als der Praelaten / Herren / und Ritterschafft / ihre freye ungezwungene Bewilligung; also / daß ein Landsfürst / für sich selbst / ihnen keine Aufflagen / oder Contributiones (wie andern Stätten und Märckten / so desselben eigenthumliche / und Cammergüter seyn / und in das Vizdom / und andere Aempter / wie anderer Cammergüter Unterthanen / alle Obrigkeitliche Anlagen / als ein obliegende schuldige Aufflag / geben müssen) anderst aufftragen / oder zu geben begehren / als was in gesambten Landtägen geschlossen / und verwilligt wird / und solcher Stätte Quota von Alters den Ständen zuzutragen gebühret; so sie dann selbst untereinander anschlagen / und solche Gebühr in das Landhauß / und nicht in das Vizdom Ampt / wie andere Cammergüter / reichen; welche Stätt auch durch einen Landsfürsten nicht veralienirt; die eigenthumliche Cammergüter aber verkaufft und versetzt / ja gar verschenckt werden können. Und haben besagte Stätte / zu dero Berathschlagungen / ein eigne Rathstuben im Landhauß zu Wien / und muß altem Gebrauch nach / und der Stände Freyheiten gemäß / ein Fürst des Landes / wegen der freyen Landtags Bewilligung / jährlich / und so offt ein Landtag gehalten wird / und ein Bewilligung erfolgt / einen Revers, und Schadloßbrieff den Ständen / und Stätten / herauß geben. Es seynd aber diese nachfolgende Landsfürstliche Stätt in Unter Oesterreich / Wien / Neustatt / Krembs / Stein / S. Pölten / Tuln / Ipß / Corneuburg / Retz / Zwettal / Laa / Baden / Böhmisch Waidhofen / Egenburg / und Closter Neuburg; welche (ausser Wien / Neustatt / und S. Pölten) mitleidende Stätte genant werden / als die mit den 3. Ständen leiden / und ihre Anlagen / neben denselben / in das Landhauß lieffern müssen. Besagte drey Stätte aber haben den Nahmen der Mitleidenden nicht / vielleicht darumb / weilen sie vor der Zeit Cammergüter mögen gewesen seyn / und ihre Landsteuer / durch einen sonderlichen Landsfürstlichen Vorbehalt / zu mehrerm Einkommen eines Fürsten / sonders Zweiffels / angesehen / in das VizdomAmpt zu Wien geben; wiewol sie die extraordinari Anlagen / als Haußgulden / Rüst- und andere Landes Contributiones, und Anschläge / auch in das Landhauß entrichten müssen. Neben den erzehlten / hat es auch andere Herren Stätte im Land Unter-Oesterreich / von welchem ein altes Sprichwort ist / daß es seines gleichen nicht habe. Dann es ist darinn fast alles / was der Mensch bedarff / ausser Saltz / so auß Ober-Oesterreich dahin gebracht wird. Es wächst da herrlicher Wein / Geträid / und andere Victualien; und wird der Land Saffran dem Welschen weit fürgezogen / und zur Artzney gebraucht. In den Wassern / als der Thonau / Erlaph / Träsam / Ips / Melck / March / Teja / Kamp / und Leytha / findet man stattliche Fisch und Krebs. Und seyn die Inwohner eines höfflich- und lustigen Humors / Gast- und kostfrey / und haben die Gesellschafften lieb; Daher man auch die gemeine Leut Fläscheltrager / und Paschkaler zu nennen pfleget / weilen sie mehrentheils wol leben / und auff das Fasten sich nicht viel verstehen. Das Wappen dieses Landes waren vor Zeiten fünff guldene Lerchen / in einem Himmelblauen Schilde: Aber nach deme Marggraff Leopold von Oesterreich / in Eroberung der Statt Ptolemais / sich so ritterlich gehalten / und / ausser der Gürtel so weiß verblieben / gantz blutig gewesen / so hat ihme der Käiser / und das Reich / ein neues Wappen / nemlich roth und weiß / gegeben / so noch heutigs Tags im Brauch ist.

Belangend das Land ob der Enß / oder Ober-Oesterreich / so hat solches gegen Auffgang das Unter-Oesterreich / gegen Abend das Bistum Passau / das Land Bayern / und Stifft Saltzburg; gegen Mittag das Land Steyer / und gegen Mitternacht Böheim. Ist zwar auch ein gutes Land / das einen feinen Traidboden / und theils Orthen Weinwachs / benebens fischreiche Wasser / als die Thonau / die Enß / die Traun / und andere mehr / hat; aber es ist dem Land Unter der Enß / weder an Grösse / noch Fruchtbarkeit / zuvergleichen; ist gebürgig / und geräth der Wein nicht zum besten: Allein ist es gesünder / als Unter-Oesterreich / daselbst die Pest / hitzige Fieber / und Ungerische Kranckheiten / vielmals regieren; wiewol der Wind den Lufft umb etwas reiniget. Und haben die Landsfürstliche sieben Stätte in Ober-Oesterreich / als Lintz / Steyer / Welß / Enß / Freystatt / Gmünd / und Vöckabruck / in deme einen Vorzug vor den Unter Enserischen Stätten / daß sie den vierten Standt noch machen / zween Verordnete auß ihnen / und einen Syndicum haben / und nicht allein zu den Landtägen / sondern auch zu andern particular Zusammenkunfften / nacher Lintz / als der Hauptstatt dieses Landes / beschrieben werden / und ihrer Verordneten einer stetigs daselbst residirt, und mit den andern der drey höhern Ständen / als der Praelaten / Herren / und Ritterschafft / in dem Landhause zu Rath gehet. Mit den Herren Stätten aber dieses Landes hat es ein andere Gelegenheit. Käiser Friederich der Erste diß Nahmens hat dieses Land / wie auch allbereit oben gemeldt worden / von Bayern genommen / und dasselbe / samt Unter-Oesterreich / zu einem eignen / und freyen Hertzogthumb gemacht. Und obwoln Hertzog Ott zu Bayern / durch seinen Sohn Ludwigen / nach dem Tode Hertzog Friederichs von Oesterreich / und seines Successoris, nemlich Marggraff Hermans zu Baden / Ober-Oesterreich einnehmen / und zu Bayern wieder bringen lassen; so bliebe es doch nicht dabey / sondern es muste Bayern mit König Ottackern in Böheim / nunmehr Hertzogen in Oesterreich / darumben kriegen / biß die Sach verglichen ward / und hergegen der König dem Bayerland Schärdingen / Neuburg am In / Ried / und Schittenhofen / wieder zugestellt hat. Und ob schon hernach auch Keyser Rudolph der Erste / in dem Krieg / den Er mit besagtem König Ottakern führte / solches Land Ob der Enß / Hertzog Heinrichen auß Bayern / wieder vor 46. tausend Gulden versetzte; so muste Er doch weil Er seinen Feinden / den Böhmen / Hülff gethan zu haben beschuldigt ward / dem Käiser solch Land / ohne Geld / wieder geben / und ihme noch darzu abbitten: Dessen Sohn Ottoni zwar Er / der Käiser Rudolph / mit seiner Tochter Catharina / das Land zwischen der Thonau / und Enß / zum Heurathgut geben; aber da solche verstorben / hat ihr Bruder / Hertzog

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Matthäus Merian: Topographia Provinciarum Austriacarum. Frankfurter Kunstverein, Frankfurt am Mayn 1679, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Topographia_Austriacarum_(Merian)_020.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)