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Ludwig Tieck: Das jüngste Gericht. In: Poetisches Journal, S. 221–246

drückte immer noch mit drohender Mine und ich war in jedem Augenblicke besorgt, daß der Schuß herausfahren würde, da ich mich aber stillschweigend fortzumachen suchte, faßte mich ein anderer Gesell mit Hörnern bei den Armen und rief: bleib, du Bärenhäuter, wie kannst du dich nur vor diesem anmaßlichen Satyr fürchten, den wir alle nicht dafür erkennen? Ich sagte hierauf: siehst du denn nicht, daß er hier seinen Schützenplatz aufschlagen und mich zum Schießnagel aufstellen will? Jener aber sagte wiederum: seine Schützengilde ist verdorben und vergessen, auch hat er das Schießen niemals gelernt, er hat sich Zeit seines Lebens mit dem Zielen, Anschlagen und Gewehr-Präsentiren begnügt, auch ist zum Ueberfluß kein Schuß in seiner Büchse, so daß er sich verschossen hat, ohne jemals geschossen zu haben. Ich fragte ihn, wie denn dergleichen unschuldiges Volk in ihre Gesellschaft käme und dabei so erschrecklich große Patron-Taschen umhängen hätte. Darüber mußt du dich nicht wundern, fuhr der Teufel fort, es hat sich allerhand Gesindel unter uns eingeschlichen, die immer lieber Teufel als Verdammte seyn wollen, aber ich hoffe, der jüngste Tag wird gottlob diesem Unfuge, nebst vielem andern ein Ende machen.

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Ludwig Tieck: Das jüngste Gericht. In: Poetisches Journal, S. 221–246. Frommann, Jena 1800, Seite 230. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Tieck_Das_juengste_Gericht_1800.pdf/10&oldid=- (Version vom 22.12.2016)