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den Tag vorher war Herr Pastor Amelung als Vertreter unsres Hauses in Himmelkron, um den Kauf des einen Flügels vom dortigen Schlosse abzuschließen, in den wir, so Gott will, nächsten Herbst mit einer Industrieschule einziehen. Als wir in Bruckberg in unsrem großen Schlosse standen, machte Herr Rektor auf das große Wappen aufmerksam und sagte, daß genau dasselbe in Himmelkron sei. Ist nicht diese Führung und Ausdehnung unserer Sache recht wunderbar? Menschen haben das nicht gemacht. ...Allerdings mutet uns Gott etwas Großes zu, uns in eine so ganz andere Art als die seitherige zu finden. Aber Er mutet es uns zu. Und das allein ist maßgebend. – Verschiedener als unser seliger Herr Rektor und unser jetziger Führer können wohl kaum zwei Naturen sein. Und doch muß – von einer höheren Warte aus gesehen – die Einheit da sein, und sie ist auch da. Meine Lieben, denkt an mich, meine Aufgabe ist zuweilen unsagbar schwer, aber Gott mutet sie mir zu, so muß auch die Lösung möglich sein.

 Es ist ringsum solch ein Sterben. Vorgestern war ich bei Vater Hommels Beerdigung in Ansbach, heute sind zwei Schwestern zu Pfarrer Müllers (Herrn Rektor Meyers intimster Freund) Leiche nach Hessen gereist. Herrn Rektors Schwager, Herr Professor Schlapp, der unter uns ein sehr gern gesehener Gast war, ist kürzlich auch heimgegangen.

 Es war gestern eine solch schöne Heimfahrt von Bruckberg: der Mond leuchtete so schön, und viele Sterne und lichte Wolken unterbrachen das Blau des Himmels, und vor mir steht eine lange Vergangenheit und eine nächste Vergangenheit und eine merkwürdige Gegenwart und eine in Jesu barmherzigen Händen beschlossene Zukunft. Ich müßte Euch noch viel erzählen, aber ich kann nicht viel schreiben. Jedem sende ich einen besonderen Gruß, an M. denke ich viel, auch heute morgen, als ich unter Frühlingsahnung zum Walde ging. Daß ich, ob mir wohl zuweilen mein Herz auch leiblich bebt ob allem, was auf mich einstürmt, sehr, sehr dankbar bin für unsern Herrn Rektor, wißt Ihr. Es ist uns eine große Gabe und Gnade mit ihm gegeben. Und ich will Gottes Erbarmen weiter trauen.

Deine Therese.


Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/91&oldid=- (Version vom 8.8.2016)