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An die Schwestern.
Dienstag in der Stillen Woche 1891

Meine lieben Schwestern!

 Es mag wohl manchen unter Euch auffällig gewesen sein, daß wir gerade in einer Zeit, da Ihr sehr begierig auf Nachrichten von hier gewesen seid, die neue Einrichtung mit den Zirkularbriefen unterbrochen haben. Vielleicht begreift Ihr aber auch, daß des hinterlegten Winters schwerer Druck und tiefes Leid uns nicht schreibselig gemacht hat. Auch war es schwer, eine Gesamtempfindung in einem allgemeinen Brief sich abspiegeln zu lassen, schwebten wir doch in Bezug auf unseren teueren Hirten vielfach zwischen Furcht und Hoffnung und wurden innerlich umhergeworfen. Nun fangen die Frühlingslüfte an zu wehen, und es regt sich auch wieder Freude und Hoffnung und Kraft und Mut. Es geht unserm lieben Herrn Rektor entschieden besser, und Gott, der so viel getan und gegeben bisher, wird auch noch mehr Hilfe darreichen und alles wohl hinausführen zu Seines Namens Ehre. Aber wir wollen diesen Winter 90/91 nicht vergessen, der so wunderlich und so erschütternd eingeleitet wurde durch den plötzlichen Tod unserer unvergeßlichen Schwester Emilie Ries. Dann kam so ein Leid nach dem andern, daß wir spüren mußten: Gott hat sich vorgenommen, einmal mit besonderem Ernst mit uns zu reden. Seine Güte ist es, daß wir nicht gar aus sind. – Daß drei liebe Schwestern in so kurzer Zeit nacheinander aus unserer Mitte abgerufen wurden, das ist noch nicht dagewesen. Es sind nun gerade 50 Schwestern, die heimgegangen sind unter uns. Im Lauf des Winters wurden trotz unseres Schwesternmangels zwei Stationen übernommen: das Marienheim in Himmelkron, Leipheim in Schwaben. Und dieses Frühjahr soll auch noch ein schon länger gegebenes Versprechen erfüllt und in der alten Reichsstadt Dinkelsbühl eine Diakonissenarbeit begonnen werden. Die Schwester soll dort in einem ehemaligen Karmeliterkloster ihr Domizil haben.

 Seit kurzem gehört zu den Angestellten unseres Hauses auch ein Herr Pastor Amelung, der uns helfen soll vor allem beim Rechnungswesen und Unterricht.

 Ihr wißt, liebe Schwestern, daß seit Jahr und Tag überlegt wird, wie den noch immer vorhandenen Nöten in Bezug auf Räumlichkeiten in unserem Mutterhaus abgeholfen wird.

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/64&oldid=- (Version vom 8.8.2016)