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großer Schmerz, wie schön, daß die liebe Mutter an Weihnachten das Sakrament gefeiert! Ich erfahre doch wieder etwas. Du hast freilich viel zu tun, aber Gott wird Dir auch reichlich lohnen alles, was Du uns und der guten Mutter tust. Grüße die liebste Mutter recht herzlich.

In treuer Liebe Deine Therese.


An ihre Schwester Ida.
3. Sonntag n. Epiph. 1885

 Meine liebe Schwester, eben habe ich in alten Briefen gelesen. Auf einem Blättchen von der lieben seligen Mutter an mich stehen ein paar Stellen über die Demut, die ich Julie vorlesen soll. Vorher schreibt die liebe Mutter: „Es kann ja wohl ein jeder in seinem Verhältnis es brauchen, ich ganz besonders.“ Das Wort heißt: „O Demut, Demut! In welcher Schule kann der Mensch dich recht lernen als in der Schule dessen, der gesagt hat: Nehmet auf euch mein Joch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig.“

 Es ist mir jetzt so leid, daß ich die meisten Briefe nicht mehr habe. Jetzt erscheint einem erst alles so wertvoll und teuer. Ach, meine liebe Schwester, laß mich Dich noch einmal in herzlicher Liebe umarmen und Dir danken für alles, was Du der lieben Mutter getan. Jetzt komme ich mir erst recht arm vor... Nun ist ein großer Riß geschehen, aber das Heimweh und Sehnen soll ja nicht ungestillt bleiben. Gott behüte Euch!

Eure Therese.


An Schwester Charlotte Kollmann.
Neuendettelsau, 27. Jan. 1885

 Meine liebe Schwester Charlotte, hab recht herzlichen Dank für Deinen lieben Brief und für das schöne Buch, das wir jetzt immer bei den Mahlzeiten gebrauchen.

 Ja, unser liebes Mütterlein, nun ruht sie von all ihrer Arbeit. Manchmal ist mir das Herz noch recht weh. Man weiß doch immer erst recht nach dem Tode, was uns gegeben war, auch durch andere Menschen, – solang wir sie besitzen, erkennen wir’s noch nicht. Und das ist in erhöhtem Maße bei dem einzigartigen Gute der Mutter der Fall.

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)