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bis es Ruhe findet in Dir.“ Einmal, als ich jung war und alles so wirr in mir und um mich, da klagte ich Herrn Pfarrer meine Not. Er sagte mir dann den Vers: „Seele, willst du dieses finden, such’s bei keiner Kreatur.“ Damals schien mir das eine zu geringe Hilfe und Arznei für meine Not. Jetzt erst weiß ich, was mir damals not tat und noch zur Stunde nottut. Es ist alles einfach, wenn wir alles auf den Herrn beziehen, und es wird alles wirr und schwer, wenn wir die Dinge losgelöst von Ihm, im Verhältnis zu uns und zu den Kreaturen auf uns wirken lassen. Das scheint mir jetzt für Dich das Wichtigste und Nötigste, alles auf Eines, will sagen auf Einen, zu beziehen.

 Werde Du eine recht treue Dettelsauer Schwester, werde eine Stammhalterin und nimm alles so treu und fest in Dich auf, daß Du es auch andern überliefern kannst. Wir Alten sind Davoneilende, unseres irdischen Lebens Tag neigt sich zum Ende, aber die geliebte Sache bleibt. Die soll in treue Hände vertrauend gelegt werden können. Sei Du, mein Kind, auch eine von den Getreuen, die Herz und Hände willig darbieten zum „heiligen Dienst“. Und nun werd auch wieder froh.

In treuer Liebe Deine Therese.


An Schwester Regine Meisinger.
Neuendettelsau, 30. Sept. 1914

 Meine liebe Schwester Regine, Gott sei Dank, daß es Euch gut geht und daß Ihr auch dem Vaterlande dienen dürft, wenngleich Eure Babys nicht in die Schlacht ausziehen. Es ist ganz recht, wenn Eure rückständigen Schwestern noch Ferien machen, wenn’s auch nicht gerade drei Wochen sind.

 Ach, alle sollen wir immer wieder innig danken, daß der Krieg nicht ins Land gekommen ist. Aber das arme, arme Frankreich! Wie haben sie sich selbst so schwer geschädigt! Als ich vorige Woche in Nürnberg die Lazarette besuchte, sprach ich auch etliche Franzosen. Einer hatte durch Zeichen seiner Umgebung zu verstehen gegeben, daß er einen Pfarrer wolle, ehe ihm sein Bein abgenommen wird.

 Es ist eine ungeheure Tätigkeit in Nürnberg entfaltet. Tausende von Verwundeten liegen in den Lazaretten, und

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Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 209. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/211&oldid=- (Version vom 24.10.2016)