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„Sehet, welch eine Liebe hat uns der Vater erzeiget, daß wir Gottes Kinder sollen heißen.“ Gewiß kommt die Zeit immer näher, da wir sehen dürfen, was ich so innig ersehnt, daß ein richtiger Brüderstamm ersteht. Als große Wohltat wird es schon empfunden, daß ein richtiger Oberbruder im Brüderheim ist. Einmal steht im Buch Josua: „Es kam alles.“ Das dürfen gewiß auch wir uns aneignen. Aber zweierlei – das liegt mir in letzter Zeit so besonders im Sinn – wird von uns verlangt: Wir müssen glauben und warten können. Das schenke Gottes Geist Euch und mir, dann werden wir Gottes Herrlichkeit schauen.

 Es ist mir, als hätte Gott in besonderer Weise in der letzten Zeit bei uns „angeklopft“. Wir mußten so Erschütterndes und Erschreckendes erleben und erfuhren daneben so viel Trost und Gnade. Daß man alles, was Gott unter uns tut in Gericht und Gnade, recht erlebt, daß man mit aufgetanen Augen, mit aufgeschlossenem Herzen, mit betender Seele Gottes Tun und Walten zu erkennen sucht, das erscheint mir von so großer Bedeutung für unsere Genossenschaft und für unser Einzelleben. Ach, daß nur keine Gleichgültigkeit, keine Sicherheit, keine Lauheit unter uns Raum gewinnt! Ich habe in letzter Zeit mit den Blauen die Geschichte Sauls durchgenommen. Ich kann gar nicht sagen, wie mich immer wieder dies Leben bewegt. Wie konnte es aus dieser Höhe zu einem solch jähen Sturz in die Tiefe kommen! Lest und betrachtet selbst die Geschichte. Es sind auch sehr die Predigten des Herrn Pastors Disselhoff über Saul zu empfehlen. Die Sünde fing scheinbar klein an. Aber der Mangel an wahrhaftiger, aufrichtiger Buße, das halbe Bekennen ließ die Sünde immer weiter und weiter sich entwickeln, bis das Leben in Nacht und Grauen endete.

 Und nun wünsche ich einer jeden von Euch, daß der heilige Geist, ungehemmt durch Widerstand von Eurer Seite, Sein Werk an Euch tun könne zur Ehre des dreieinigen Gottes und zu Eurem ewigen Heile.

 In fünf Jahren feiert Ihr Jubiläum. Wie schnell wird die Zeit da sein!

In herzlicher Liebe Eure Therese.



Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/208&oldid=- (Version vom 24.10.2016)