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die da oder dort einer überlasteten Schwester eine Last abnehmen könnte, natürlich in geordneter Weise. Nun schreibt mir Schwester Auguste, daß meine Gedanken Dir nicht gefielen. So bitte ich Dich, mir zu sagen, was Du gern möchtest. Wenn man älter geworden ist und mit reduzierter Kraft zu arbeiten hat, dann ist es schön, wenn man seiner Umgebung den Eindruck macht: Mir ist alles recht, wenn ich nur da und dort noch etwas nützen kann und darf. Es sind mir in dieser Hinsicht einige ältere Schwestern ein erquickliches Vorbild. Wie gern tut unsere Schwester Sibylla diesen und jenen Dienst, der gerade vorliegt, wie schön hat sich Schwester Christiane Hühne in das ganz neue Verhältnis gefunden, wie ehrwürdig ist uns allen Schwester Luise Adelberg! So in dieser Weise dachte ich mir auch Deine zukünftige Aufgabe. Ich denke, Du wirst mich verstehen. Aber sprich Dich nur darüber aus.

In herzlicher Liebe bin ich
Deine alte Freundin Therese.


An Schwester Babette Gößwein.
Jakobsruhe, Pfingstabend 1906

 Meine liebe Schwester Babette, nun sende ich Dir einen herzlichen Pfingstgruß von der Jakobsruhe aus, dem lieben, stillen Ort, der jetzt sein schönstes Festgewand angelegt hat. Schwester Sophie Lutz war auch hier und hat, wie sie zu tun pflegt, gedichtet. Das letzte Poem beginnt:

 „Wem Gott will eine Gunst erweisen,
den schickt er auf die Jakobsruh.“

 Aber dieser Ort ist nun auch besonders gekennzeichnet. Man hat die erste Tote, unsere liebe Schwester Marie Ebert, herausgetragen. Ich dachte mir’s vor der Leiche: „Gewiß predigt Herr Rektor über ihren Einsegnungstext.“ Und so war’s auch. „Ich werde den König sehen in Seiner Schöne“ (Jes. 33, 17), das war bei der ersten Einsegnung, die Herr Rektor gehalten hat, der Text der Rede.

 Ihr wißt schon, daß wir manche Sorge haben. In Worms hat Bruder Winterstein und Bruder Rudolf Hopf Typhus! Betet für sie. Diese beiden gehören zu unseren Besten. Und ich weiß, daß Ihr auch sehnlich auf Ersatz wartet. Aber wir können halt nicht. Das Drängen und Pressen verfolgt mich

Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/164&oldid=- (Version vom 17.10.2016)