Seite:Therese Stählin - Auf daß sie alle eins seien.pdf/16

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
An Schwester Charlotte Kollmann.
Neuendettelsau, 8. Sept. 1883

 Meine liebe Schwester Charlotte, komm nur hieher, sobald Du kannst und willst, wir leben ganz nett und gemütlich zusammen. Das Haus ist gegenwärtig von Schülerinnen leer, aber Schwestern sind da und werden noch viele kommen. Heute treffen die Ersten von den Einzusegnenden ein. Sie werden alle elf in den Blauen Saal einlogiert, und die Vorbereitungsstunden werden sie wieder im Betsaal des Feierabendhauses haben.

 Heute morgen hat Frau Professor Lichtenberg der Schlag gerührt. Vielleicht darf sie diesmal heim, die müde, fromme Pilgerin. – Frl. von Borcke will ihr Haus[1] bald vermieten. Kürzlich kamen zwei Fräulein, von denen die eine blind, die andere verwachsen ist, und fragten, ob keine Möglichkeit wäre, hier zu wohnen; sie wollten gerne lebenslänglich hier sein. Sie hatten auch schon zu Frl. von Borcke gesagt, es sollte eben hier ein Haus gebaut werden, wo solche einzelstehende Damen wohnen könnten. Da habe Frl. von Borcke gelächelt und geantwortet, das Haus stehe vielleicht schon. Der Herr Jesus wolle es nur in Seine selbsteigenen Hände nehmen!

 Das Waschhaus am Blödenhaus[2] ist schon bald fertig, der Rohbau nämlich. – Frl. von Bassewitz ist hier, wohnt bei Frl. von Borcke und geht dann nach Petersburg...

In treuer Liebe Deine Therese.


An eine Schwester.
Polsingen, den 4. November 1883

 Meine liebe Schwester, weil Dein hoher Geburtstag naht, so möchte ich nicht versäumen, Dir zu demselben einen herzlichen Glückwunsch zu senden. Gott erhalte Dich in seiner Gnade bis zum letzten Atemzug! Du darfst doch sagen: „Das Los ist mir gefallen aufs Liebliche.“ Und was als schwerer Druck auf Dir lastet, das gehört auch mit in den heiligen Erziehungsplan Gottes. Laß uns nur glauben und beten und der Barmherzigkeit Gottes alles zutrauen. Mir ist schon oft beim Sakrament so eine Gewißheit geworden in Betreff meiner Familie. Vielleicht darfst Du das auch noch erleben.


  1. Heilsbronner Straße 21
  2. Jetzt Pfortenhaus der Pflegeanstalt
Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)