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Heut nachmittag kommen viele Schwestern, und das Haus wird ziemlich voll. – Ich las dieser Tage unter meinen Aufzeichnungen: „Und was ist all die Herrlichkeit der Welt gegen einen einzigen Blick Seiner Gnade.“ Ja, so ist es. Nach Seiner Liebe dürstet die Seele, und nach Seinem Erbarmen verlangt uns. Und nun ist doch gar nichts nötig als ein einfältiges, gläubiges Ergreifen...

Gott behüte Dich! Deine Therese.


An Schwester Berta Wieland nach dem Heimgang von Schwester Johanna Hensolt am 3. und von Schwester Wilhelmine Metzinger am 16. November 1904.
Neuendettelsau, 18. Nov. 1904

 Meine liebe Schwester Berta, es verlangt mich, Dir ein herzliches Wort zu schreiben mitten in der Stunde, da wir uns zum Begräbnis rüsten. Es ist ein großer, schmerzvoller Riß unter uns geschehen – zweimal nacheinander – und ich möchte, daß wir noch Lebenden uns inniger, herzlicher, wärmer zusamenschließen denn je zuvor, wir haben’s nun erfahren, wie wir „auf dem Sprung“ sind, wie unser Leben dahingleitet wie das Schifflein des Webers in fliegender Eile. Wir preisen die von Herzen selig, die im Frieden heimeilen durften, und danken Gott, daß wir so viel Schönes und Edles und Heiliges an ihnen sehen durften.

 Und dabei geht alles seinen Gang weiter, wir arbeiten als die Davoneilenden, und rechts und links nimmt der Tod seine Beute...

Deine Therese.


An Schwester Anna Schneider, Eysölden.
Neuendettelsau, 2. Januar 1905

 Liebe Schwester Anna, nun konnte ich Dir kein Abschiedswort mehr sagen; darum wünsche ich Dir schriftlich noch einmal Gottes Segen. Es ist so auffallend klar, daß Gott Dich in Eysölden haben will, daß Du darüber immer ganz getrost sein kannst.

 Herr Rektor kommt trotz der Kälte und trotz seiner neulichen Krankheit doch selbst. Ich glaube, er hat eine Freude an der Station. Nun schläfst Du schon die erste Nacht am

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Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 156. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/158&oldid=- (Version vom 17.10.2016)