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 Gestern hatten wir eine sehr wichtige Stunde. Herr Rektor nimmt ja an den Freitagabenden die Offenbarung durch und gibt uns viel Licht über Zustände und Fragen unserer Zeit eben aus dem Wort der Offenbarung. Bei Offenb. 14 stehen wir jetzt gerade. Und morgen ist das herrliche Evangelium von der Hochzeit zu Kana.

 In München liegt eine große Wehmut auf der Station. Schwester Karoline Kienlein wird zusehends schwächer, und ihre Augen sind dem Erblinden nahe. Da denke Du auch vor Gott daran und bitte ihn, daß geschieht, was ihr und was der Station zum Heile dient.

 Es ist wieder viel Schwesternnot da und dort. Gott wird uns nicht zu Schanden werden lassen. Schwester Lina Streng schreibt hochgemut vom Mittelmeer aus, hofft am 25. Januar in Indien zu landen.

 Heut ist unseres seligen Herrn Rektors Hochzeitstag, und sein Enkelsohn in Eschau harrt der Taufe!

 Gott behüte Dich. Bitte, schlaf recht viel.

Deine getreue Genossin in Leid und Freud Therese.


An Schwester Marie Winterstein, Himmelkron.
Jakobsruh, 17. April 1903

 Mein liebes Himmelkron, meine Lieben, ich sehe ja doch immer wieder, wie Gott in unsern großen Nöten hilft. Nun hat Herr Rektor vorigen Dienstag vom Polsinger Schloßgut Besitz ergriffen. Habt Ihr auch schon einmal den Spruch gelesen, den ich ganz neuerlich entdeckt habe und dem neuen Verwalter habe schreiben lassen: „Ich will dem Korn rufen und will es mehren und will euch keine Teuerung kommen lassen“?

 Heute morgen um fünf Uhr ist hier auf der Jakobsruh ein kleines, kohlschwarzes Eselein angekommen, was ich hiemit der ganzen Hausgemeine zu wissen tue. – Kennt Ihr das Buch von Grashoff: „Die andere Welt?“ Ich rate Euch allen, doch immer im Getriebe des Tages einen Blick in Gottes Wort zu tun, einen Labetrunk zu nehmen aus dem Strom der Ewigkeit. Sonst werden auch wir Menschen der Diesseitigkeit, und das wäre schlimm.

In herzlicher Liebe Eure Therese.


Empfohlene Zitierweise:
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/153&oldid=- (Version vom 17.10.2016)