Gestern fuhr Herr Rektor mit Frau Domina und mir nach Trautskirchen. Es war nach vielen Regentagen wieder etwas Sonnenschein. Mir war es unterwegs so innerlich wohl, und ich sagte so oft im Herzen: „Ich danke dir.“ Auch in Bruckberg hatten wir freundliche Eindrücke. Herr Rektor hielt auf dem Rückweg die Vesper und las Jes. 64 und 1. Joh. 3. Aber auf der Fahrt von Bruckberg hieher merkten wir, daß das Pferd krank war. Mit großer Mühe kam es heim – wir waren drei Stunden unterwegs –, und heute morgen mußte das arme Tier getötet werden. Es war solch ein trauriger Ausgang der schönen Fahrt...
Meine liebe Selma, ein großer Beschluß der Konferenz am vorigen Dienstag betraf das Hospiz. Bauwart Stapfer gibt uns Haus und Gärtlein und will ein zweites Hospiz an die Stelle seines Vaterhauses bauen. Das ist auch ein Wunder vor unsern Augen, daß alles so ungesucht an uns herankommt.
Simonis- und Judä-Tag
Meine liebe kranke, aber, so Gott will, bald genesende Schwester, ich möchte Dir heute das Wort zurufen: „Seine Güte ist alle Morgen neu, und Seine Treue ist groß.“ Alle Morgen neu – das betrachte in Deinen stillen Stunden. O großes Wunder, daß Er sich durch der Menschen Sünde und Torheit nicht ermüden läßt, mit immer neuer Frische, mit immer neuer Liebe wieder mit ihnen beginnt, so oft sie Ihn auch täuschen. So soll auch unser Dank immer neu sein, unsere Gegenliebe immer neu werden und Geduld und Hoffnung nie ermatten. Willst Du’s der treusten Hand wehren, daß sie den Anfang des neuen Berufes mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes gezeichnet hat? Du sollst Seine Hände dankbar küssen, die die Rebe beschneiden, daß sie gereinigt werde und mehr Frucht bringe...
Therese Stählin: Auf daß sie alle eins seien. Verlag der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1958, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Therese_St%C3%A4hlin_-_Auf_da%C3%9F_sie_alle_eins_seien.pdf/124&oldid=- (Version vom 22.8.2016)