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ein großes Freudenfeuer angezündet, um welches die jungen Bursche, so lange es brennt, unter lautem Singen herumtanzen. Wo viel Holz ist, besteht dieses Feuer aus einem großen Scheiterhaufen; an anderen Orten wird ein leerer Bienenkorb dazu genommen, der inwendig mit Werg gefüllt und auswendig mit Theer bestrichen ist, und an einer hohen Stange aufgerichtet wird; an der Stange hängen zuweilen noch einige Theerbütten. Man hat den Glauben, daß, soweit der Schein von diesem Feuer reiche, in diesem Jahre keine Feuersbrunst entstehen werde. In der Regel muß Alles, was zu solchen Osterfeuern gebraucht wird, entwendet sein, damit die Wirkung des Feuers desto sicherer eintrete.

Ein anderer, auf die Göttin Ostra sich beziehender Gebrauch ist folgender: Ein Brand von dem dieser Göttin geheiligten Osterfeuer verhütete, so wie er dem Mißwachs vorbeugte, namentlich auch die Krankheiten des Viehes; insbesondere war dieß mit den Schweinen der Fall, die jeglichem Uebel enthoben wurden, wenn man sie durch ein der Göttin zu Ehren angezündetes Feuer jagte. Davon hat man noch heutiges Tages an mehreren Orten in der Altmark den Gebrauch, wenn man kranke Schweine hat, ein sogenanntes Nothfeuer zu machen. Dieß geschieht auf folgende besondere Weise: Vor Aufgang der Sonne, und ohne daß ein Wort gesprochen werden darf, werden zwei Pfähle von trockenem Holze in die Erde gegraben, so daß die oberen Enden hervorragen. Um diese Enden werden alsdann hanfene Stricke so lange hin- und hergezogen, bis das Holz sich entzündet und die Pfähle in Brand gerathen. Durch dieses Feuer nun werden die kranken Schweine hindurchgetrieben.

Ueber die Altmark. I. 129. II. 247.
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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_076.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)