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anzunehmen. Die gebärende Frau sprach aber ebenfalls zu ihr, sie solle das Gold nicht annehmen, denn, wofern sie durch Geiz sich blenden lasse, werde ihr Mann durch Gottes Verhängniß ihr vielen Schaden zufügen. Daher nahm sie von dem Golde nichts an, sondern ließ sich von derselben Magd zum Schlosse und in ihr Schlafzimmer zurückgeleiten, ohne daß ihr das geringste Leid widerfahren wäre.

Ueber eine Zeit kam die Magd um Mitternacht, als Alles schlief und alle Thüren im Hause verschlossen waren, wieder mit einer Laterne vor das Bette der Frau von Alvensleben, und weckte diese. Sie trug zwei Schüsseln über einander gestülpt. In der untersten derselben lag ein goldener Ring; den gab sie der Frau von Alvensleben, nebst vielen Grüßen von ihrem Herrn, den sie aber nicht nannte, und hinzufügend: ihr Herr verehre ihr hiermit ein Kleinod, einen güldenen Ring, zur Danksagung für erzeigten Dienst; den solle sie wohl bewahren, denn so lange derselbige Ring ganz und ungetheilet auf dem Hause Calbe und bei dem Geschlechte derer von Alvensleben bleiben werde, solle dieses blühen und Glück und Wohlfahrt haben; werde aber der Ring von Händen kommen oder zertheilet werden, so werde es auch demselben Geschlecht unglücklich und nicht wohl ergehen. - Damit verschwand die Magd.

Der Ring wurde lange auf dem Hause Calbe verwahrt, und brachte sichtlich Heil und Glück dem immer mehr blühenden Geschlechte von Alvensleben. Einstmals waren aber zween Brüder, die sich bei der Erbtheilung um den Ring nicht vertragen konnten. Jeder wollte ihn für sich allein behalten, und als ihn nun Keiner missen wollte, verlangte zuletzt der Eine, daß er getheilet werden solle. Darauf mußte denn der Ring in zwei Theile getheilt werden. Aber der Stamm dessen, so die Theilung am heftigsten

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_067.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)