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vorbeikamen und dessen Thüre offen fanden, da ergriffen die Bursche die Mädchen, und zogen sie auf den Kirchhof, wo das Tanzen von Neuem losging. Marie hatte ihr Versprechen ganz vergessen und sprang lustig mit in dem hellen Mondschein.

Ihre Mutter saß unterdeß unruhig in ihrem Stübchen und wartete mit Schmerzen auf ihre Tochter. Da hörte sie auf einmal aus der Ferne das Schreien und Lärmen auf dem Kirchhofe. Sie konnte sich nicht mehr halten. Sie ging aus dem Hause und folgte dem Lärm. So kam sie auf den Kirchhof, wo sie ihre Tochter mitten unter den Springenden sah. Der Anblick zerschnitt ihr das Herz. Sie befahl ihr, sofort mit ihr nach Hause zu gehen. Das Mädchen aber erwiderte ihr: Ei, Mutter, der Mond scheint noch so helle! Geh’ du nur, ich komme bald! Da sah die alte Frau in den Mond und verfluchte ihre Tochter. Ich wollte, sagte sie, das ungerathene Kind säße im Monde und müßte da oben spinnen! - Die Worte hatte sie kaum gesprochen, da war die Marie aus den Reihen der Tanzenden verschwunden, und man sah sie, mit ihrem Rade in der Hand, rasch wie einen Blitz, dem Monde zufliegen. - Im Monde sitzt sie noch und spinnt; wenn er ganz hell scheint, dann kann man sie deutlich spinnen sehen. Sie spinnt feine und zarte Fäden, die fallen zur Herbstzeit auf die Erde herunter; der Wind jagt und zerreißt sie dann, und treibt sie auf Hecken und Bäume. Die Leute nennen sie Sommerseide oder Marienfädchen.

Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.


50. Die kluge Nonne zu Arendsee.

In dem Städtchen Arendsee ist ein altes Kloster zu sehen, welches früher von adligen Jungfrauen Benedictiner-Ordens bewohnt wurde und sehr berühmt war. In

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Jodocus Donatus Hubertus Temme: Die Volkssagen der Altmark. Nicolai, Berlin 1839, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Temme_Die_Volkssagen_der_Altmark_043.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)